Updates für die Kunst

In Augsburg wurden die ersten deutschen Porträtmedaillen geschaffen und neue druckgrafische Techniken wie der Farb- bzw. Chiaroscuro-Holzschnitt erfunden oder perfektioniert. Auch das Kleinrelief gelangte hier zu seiner Blüte.

Auf vielen dieser Felder tat sich gerade Hans Burgkmair hervor, der ein Pionier des Farbholzschnitts war und als einer der ersten Künstler nördlich der Alpen den Rötelstift als Zeichenmedium entdeckte. Ihm verdanken wir auch aufsehenerregende mythologische Darstellungen und einige der ersten detailreichen Darstellungen außereuropäischer Völker.

Porträtmedaillen

An der Etablierung der in Italien bereits seit Mitte des 15. Jahrhunderts populären Gattung der (Porträt­)Medaille hatte nördlich der Alpen vor allem der Humanist Konrad Peutinger maßgeblichen Anteil. Derartige an das römische Münzporträt angelehnte Stücke wurden vom Augsburger Medailleur Hans Schwarz gefertigt und zeigen die dafür typischen Profilbildnisse von Dürer oder Peutinger.

Zum Reichstag 1518 war Albrecht Dürer in Augsburg, wo er Hans Burgkmair zeichnete. Vielleicht zeigte ihm Burgkmair bei dieser Gelegenheit seine neue Porträtmedaille. Dürer fertigte später ebenfalls einen Entwurf für eine Porträtmedaille an, die er von Hans Schwarz ausführen ließ. Die Dargestellten wurden wie römische Kaiser im Profil wiedergegeben. Eine lateinische Inschrift verrät ihren Namen und ihre gesellschaftliche Bedeutung. Zusätzliche Motive können trotz der geringen Größe komplexe Inhalte vermitteln.

Eisenradierungen

Kolman Helmschmid war der Sohn von Lorenz Helmschmid, der den spätgotischen Harnisch für Kaiser Maximilian I. geschaffen hatte. Dieser Harnisch hier wurde etwa vier Jahrzehnte später von Kolman für einen Augsburger Patrizier hergestellt.

Die modischen Ideale der Spätgotik sind hier durch jene der Renaissance ersetzt.
An diesem Harnisch ist nicht zuletzt der Ätzdekor von Daniel Hopfer von Bedeutung. Die Verzierungen werden auf chemische Weise in den Stahl gebracht. Die Oberfläche wird mit säurefestem Lack überzogen, und zwar so, dass das Muster entweder von Lack frei bleibt oder mit einer Nadel aus dem Lack ausgekratzt wird. In die unbedeckte Metallfläche frisst sich die Ätzsäure ein. Das vertiefte Muster wird eingeschwärzt.

Kunst- und Waffenproduzenten waren in Augsburg in derselben Zunft organisiert. Einige Künstler nutzten diese enge Verbindung und arbeiteten in beiden Professionen. Daniel Hopfer, der Rüstungen mit geätztem Dekor versah, verwendete dieselbe Technik, um Eisenplatten zu ätzen, die anschließend abgedruckt wurden. Das Verfahren der Eisenradierung geht also auf ihn zurück. Hopfer stellte u.a. die Augsburger Dominikanerinnenkirche in der neuen Technik dar.

Der Stich gilt als eine der frühesten autonomen Architekturansichten in der deutschen Grafik.

Farbholzschnitt

Der Tradition althergebrachter liturgischer Bücher ist der Farbholzschnitt mit der Kreuzigung Christi verpflichtet. Er ist das früheste Werk Burgkmairs in dieser Ausstellung.

Auch in das junge Medium des Buchdrucks konnte Burgkmair Neues einbringen:

Räumlichkeit, Körper und Oberflächen werden von ihm Trotz festgesetzter Normen im Bereich liturgischer Bücher immer überzeugender dargestellt. Das technische Rüstzeug für einen Mehrfarbenholzschnitt lernte er kennen, als er mit dem Augsburger Drucker Erhard Ratdolt zusammenarbeitete. Bei diesem Verfahren werden die Farben anstelle einer manuellen Kolorierung der schwarzen Umrisslinien mittels mehrerer Tonplatten aufgedruckt.

Hans Burgkmair erprobte die neuen Techniken des Golddrucks und des Farbholzschnitts, bei denen mehrere Druckplatten verwendet werden. Ein Meisterwerk Burgkmairs und Hauptwerk der deutschen Renaissance ist das Liebespaar, das vom Tod überfallen wird.

Nirgendwo sonst stellt der Künstler sein dramatisches Vermögen so deutlich unter Beweis, kein zweites Mal ist ihm die figürliche Darstellung in Kombination mit einer italienischen Hintergrundarchitektur so gut gelungen wie hier. Das technisch brillante Blatt ist das erste Beispiel für einen Farbholzschnitt von drei Platten.
Die dramatische Szene des Todes, der ein Liebespaar überfällt, ist der erste Holzschnitt, dessen gedruckte Farbflächen wie eine Helldunkelmalerei wirken. Die Kulisse ist zwar ausgesprochen italienisch, als Todesallegorie und „memento mori“ steht das Blatt jedoch in altdeutscher Tradition.

Neue Themen in der
Zeichnung und Druckgrafik

Bald nach 1500 beteiligten sich Augsburger Kaufleute auch an den portugiesischen Eroberungs-­ und Entdeckungsfahrten. Wegen der günstigen geografischen Lage mit der Nähe zu den Alpenpässen und der Anbindung an die europäischen Handelsrouten wurde Augsburg zu einem Drehkreuz für Güter und Neuigkeiten aus aller Welt.

Das Wissen aus den verschiedenen Erdteilen erreichte die Reichsstadt und zog somit auch Gelehrte und Künstler an.  

Nördlich der Alpen werden nach 1500 vermehrt autonome Zeichnungen gefertigt. Sie dienten nicht mehr der Vorbereitung eines zumeist religiösen Werkes, sondern spiegeln oftmals das Interesse der Künstler an ihrer Umwelt wider.  

Am 20. Mai 1515 ereignete sich in Lissabon eine Sensation von europaweiter Strahlkraft: König Manuel I. erhielt ein lebendes indisches Panzernashorn als Geschenk. Rasch verbreitete sich die Nachricht und eine Abbildung des exotischen Tiers. Albrecht Dürer schuf im selben Jahr in Nürnberg auf deren Basis eine Federzeichnung sowie einen Holzschnitt. Neben Nürnberg muss die Kunde vom Nashorn quasi zeitgleich das konkurrierende Augsburg erreicht haben. Daraufhin hat auch Hans Burgkmair 1515 einen Holzschnitt des Rhinozeros hergestellt.

Bilder der Anderen

Dies waren die einflussreichsten Druckgrafiken über die aus europäischer Sicht unbekannten Menschen entlang der afrikanischen und ostindischen Küste. Burgkmairs Holzschnitte galten lange als erste ethnografisch interessierte Bilder außereuropäischer Menschen.
Mit der Nacktheit der Figuren imaginieren solche Darstellungen eine äußerst problematische Bildtradition; sie wollen nicht zuletzt eine „primitive“ Kultur zeigen. Während der Künstler sich in seinen Holzschnitten einerseits um Authentizität bemühte, entsprechen die Illustrationen letztendlich Stereotypen wie dem der „unzivilisierten Wilden“. In der Folge sollten solche Darstellungen eine Ausbeutung außereuropäischer Kulturen rechtfertigen. Damit stehen sie am Beginn einer kolonialen Imagination, die sich in Europa lange halten wird.

In Augsburg kamen Darstellungen außereuropäischer Ethnien auf. Um 1503 häufen sich Nachrichten über die „Entdeckungen“ im Rahmen der portugiesischen Kolonisation.

Handelshäuser in Augsburg und Nürnberg wollten am neuen, hochlukrativen Gewürzhandel beteiligt sein und finanzierten Expeditionen. Durch Konrad Peutingers Vermittlung illustrierte Hans Burgkmair einen 1508 gedruckten und im Verkauf sehr erfolgreichen Reisebericht mit einem opulenten Bilderfries: die Darstellungen des Königs von Gutzin mit Gefolge sind Zeugnisse einer sich globalisierenden Welt, in der Augsburg einen wichtigen Knotenpunkt bildete.

Importrenaissance

Die neu errichtete Fuggerkapelle war das erste eigentliche Renaisssancebauwerk nördlich der Alpen.

Wohl von ihr angeregt erteilte der sächsische Herzog der Werkstatt Adolf Dauchers den Auftrag, ein Portal in vergleichbaren Formen für Meißen zu schaffen. 

Dieser Putto in antikischer Rüstung, der einen Schild mit dem sächsischen Herzogswappen vor sich hält, war einst Teil dieses Portals. Vergleichbare Schildhalter finden sich an italienischen Grabmälern des 15. Jahrhunderts. Durch solche in Augsburg geschaffene Importstücke verbreiteten sich neue südliche Themen und Formen auch in anderen Regionen nördlich der Alpen. So waren dort auch Putten, also kleine nackte oder wenig bekleidete Knaben, bis dahin quasi unbekannt. Hans Daucher führte damit einen neuen Formenkanon in die Skulptur der Frührenaissance in Augsburg ein. 

Erweiterung des Marktes

Nicht nur die Künstler hatten ein Interesse an neuen Formen, Stilen und Themen sowie an der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten. Auch die Weltsicht, die Wünsche und Erwartungen der Auftraggeber änderten sich. Künstler wurden wegen ihrer Fähigkeiten zunehmend geschätzt. Auch die aufblühenden Wissenschaften brauchten eine künstlerische Hand zur Abbildung für alles Entdeckte und Erforschte. 

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